Ohne genau zu wissen, was eine sogenannte Superinfektion eigentlich ist, ist der Begriff in den Köpfen der meisten von Beginn an negativ besetzt. Ähnlich wie der Begriff "Superwaffe" gleich mit der Zerstörung ganzer Landstriche in Verbindung gebracht wird, assoziieren wir auch mit "Superinfektionen" apokalyptische Szenarien.
Wir haben mit Dr. Dieter Hoffmann vom Institut für Virologie der TU München und der Biologin Dr. Gritt Hutter von der Gesellschaft für medizinische Information gesprochen und sie gefragt: "Was hat es mit Superinfektionen auf sich? Und: Stehen wir kurz davor, uns anzustecken?" – Die erfahrenen Wissenschaftler haben uns geantwortet.
Es ist Grippesaison. In der kalten Jahreszeit ist das Immunsystem geschwächt und der Körper dadurch anfälliger für Angriffe durch Mikroorganismen. So kann es passieren, dass sich aus einer regulären Erkältung etwas Schwerwiegenderes entwickelt: eine Superinfektion. Was sich hinter dem Begriff verbirgt – wir klären auf.
Was bedeutet Superinfektion?
Der Name leitet sich aus dem Lateinischen ab. Der Präfix "super" bedeutet grundsätzlich nichts anderes als "über". Aber während eine "Superwaffe" aus dem neuesten Blockbuster eine Waffe ist, die besser als alle anderen ist – also "über" ihnen steht – ist eine Superinfektion keine Infektion, die per se schlimmer oder gefährlicher ist als andere. Vielmehr ist eine Superinfektion eine Infektion durch mehrere Mikroorganismen, die sich "über"-lagern.
Man hat sich also mit mehreren Erregern angesteckt, wie uns Dr. Dieter Hoffmann vom Institut für Virologie der TU München bestätigt. Entweder kommt es zu einer Sekundärinfektion mit einem anderen Stamm desselben Erregers oder zu einer Koinfektion mit einem anderen Keim. Aber wie genau läuft das ab?
Wie entsteht eine Superinfektion?
"Eine derartige Ansteckung beginnt in den meisten Fällen mit einem viralen Infekt, etwa einer Erkältung, Influenza oder Grippe. Diese zugrundeliegende Infektion schädigt Gewebe, zum Beispiel die Atemwegsschleimhäute und macht sie empfänglicher für eine zweite Infektion, die Superinfektion," erklärt Dr. Hoffmann. In vielen Fällen komme zu der viralen Infektion so eine bakterielle hinzu.
Eine umgekehrte Abfolge, bei der eine bakterielle Infektion eine virale begünstigt, ist seltener – kommt aber durchaus vor. Auch eine virale Infektion gepaart mit einer zweiten ist möglich. So ist zum Beispiel eine Ansteckung mit dem Hepatitis-D-Virus nur als Superinfektion über den Hepatitis-B-Virus möglich, wie Dr. Hutter von der Gesellschaft für medizinische Information erklärt.
Generell machen beide Wissenschaftler deutlich: Jedes geschwächte Gewebe am Körper erleichtert nachfolgenden Keimen ein Eindringen in den Körper. Ob ein Virus oder ein Bakterium die wunde Stelle infiziert, ist erst für die Diagnose und die Behandlung entscheidend.
Der am häufigsten auftretende Fall sei eine bakterielle Zweitinfektion infolge einer viralen Bronchitis. Ein von Viren ausgelöster grippaler Infekt, der mit Husten, Halsschmerzen und Schnupfen beginnt, weitet sich in diesem Verlauf von einer akuten Bronchitis zu einer eitrigen aus. Die Folge sei in manchen Fällen eine bakterielle Lungenentzündung. Unbehandelt, könne diese Kombination schnell gefährlich werden und im schlimmsten Fall – vor allem bei Kindern und älteren Menschen – tödlich enden.
Symptome: Wie merke ich, ob ich eine Superinfektion in mir trage?
Eigentlich gar nicht. Als Laie habe man keine Chance, eine Monoinfektion von einer Superinfektion zu unterscheiden, sagt Dr. Hutter. Will man Sicherheit haben, sollte man eine Ärztin oder einen Arzt konsultieren. Wie die Biologin uns mitteilt, kann nur ein ausgebildeter Mediziner durch Tests bestätigen, um welche Art der Erkrankung es sich handelt und wie gefährlich sie ist. Eigendiagnosen und Selbstbehandlung sind an dieser Stelle No-Gos, vor denen die Biologin konkret warnt.
Liegt man seit Tagen mit Fieber im Bett und der festsitzende Husten will einfach nicht weggehen, sollte man in jedem Fall ärztlichen Rat einholen, wie sowohl Dr. Hoffmann als auch Dr. Hutter bekräftigen. Man spüre selbst meist am besten, ob der Körper gut mit einer Krankheit fertig werde oder eben nicht. Hält sich der Husten zäh und verschwindet das Schwächegefühl auch nach Tagen nicht oder verstärkt sich sogar, kann eine Superinfektion Auslöser der Symptome sein. Dann heißt es: schnell zur Ärztin oder zum Arzt.
Antibiotika? Besser nicht!
Lässt die Diagnose eine Superinfektion erkennen, wird laut Dr. Hoffmann meist mit Antibiotika oder Virostatika behandelt. So weit, so gut. Um Superinfektionen von vornherein zu vermeiden, greifen Ärzte immer noch gerne zu einem prophylaktischen Einsatz von Antibiotika, auch wenn es keine konkreten Anzeichen für eine Infektion durch ein Bakterium gibt. Denn: Die Zweitinfektion könnte ja noch kommen. "Hier wird es kritisch", mahnt Dr. Hutter.
Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Resistenz von Keimen gegen eben dieses Antibiotikum. Man sollte also nur im absoluten Ernstfall zu diesem Mittel greifen. Sonst fördert man die Entstehung von Keimstämmen, die im schlimmsten Fall eine Hollywood-reife Superinfektion auslösen können.
Wie lange dauert eine Superinfektion?
Die Dauer einer Superinfektion variiert und hängt von Faktoren wie der Art der Erreger und dem Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten ab. Oft können Symptome innerhalb weniger Tage nach der ersten Infektion auftreten und mehrere Wochen andauern, besonders bei resistenten Erregern. Eine frühzeitige Intervention kann die Dauer der Erkrankung verkürzen und Komplikationen vorbeugen.
Superinfektionen – keine Apokalypse, aber auch kein Sonntagsspaziergang
Manchmal kann es also schneller gehen als man denkt und man findet sich in einer kritischen Lage mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus wieder. Die Devise ist dabei so simpel wie wirksam: Bei hartnäckigem Fieber oder Schwächegefühl mit festsitzendem Husten immer einen Arzt aufsuchen. Er ist ausgebildet und weiß, was zu tun ist. Dann ist man auch trotz Superinfektion schnell wieder auf den Beinen.