Mann hält die Hände vor den Kopf und sitzt auf dem Bett.

Long Covid und Post Covid: Symptome und Unterschiede

Immer mehr Patientinnen und Patienten berichten noch lange Zeit nach ihrer Corona-Erkrankung über diffuse Beschwerden. Mittlerweile gibt es medizinische Begriffe für das Phänomen: "Long Covid" und "Post Covid". Wo liegt der Unterschied? Welche Symptome treten dabei auf und wie werden sie behandelt?

Eines vorweg: Noch gibt es nur wenig gesichertes Wissen über die Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung. Schließlich wurde das neuartige Coronavirus vor nicht einmal drei Jahren erstmalig bei Menschen nachgewiesen. Insofern steht die Wissenschaft hier noch am Anfang. 

Dennoch gibt es immer mehr Studien zu den Folgen der Erkrankung. Mit der am 18. August 2021 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) vorgestellten interdisziplinären S1-Leitlinie zur Behandlung von Coronafolgen gab es erstmals ein umfangreiches Dokument zu Post beziehungsweise Long Covid, das jährlich aktualisiert wird und hier einsehbar ist.

Auch die IKK classic beteiligt sich an einem großen, bundesweiten Post-Covid-Forschungsprojekt des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV). Unter anderem soll dadurch geklärt werden, welche Symptome Post-Covid umfassen kann, wie viele Menschen davon betroffen und was Risikofaktoren sind. Ergebnisse der Studie zu den Zusammenhängen zwischen Covid-19 und Autoimmunerkrankungen wurden im Januar 2023 veröffentlicht.

So ergaben Analysen von Krankenversicherungsdaten, dass nach einer überstandenen Covid-19-Infektion Betroffene deutlich häufiger an einer Autoimmunerkrankung leiden als Menschen ohne Covid-19-Diagnose. Insbesondere Entzündungen der Blutgefäße (Vaskulitiden) wie Morbus Wegener, Morbus Behçet oder Arteriitis temporalis wiesen die größten Assoziationen mit Covid-19 auf. 

Weitere Studien sind in Planung, etwa ein Vergleich von Post-Covid-Symptomen mit Symptomen nach einer Influenza-Infektion.

Professor Rabe LungenClinic © PR

Wir haben uns mit dem DGP-Experten Prof. Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der LungenClinic Grosshansdorf, darüber unterhalten und beantworten mit seiner Hilfe die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung.

Was sind die Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion?

Prinzipiell können alle Viren Spätfolgen verursachen, besonders häufig kommt dies beispielsweise bei Infektionen mit Grippeviren vor. Prof. Rabe erklärt dies wie folgt: "Wie bei anderen Viruserkrankungen auch, können durch Covid-19 langfristige Probleme entstehen. Bei einer Corona-Erkrankung scheint das besonders häufig der Fall zu sein. Was uns alle – auch in der Fachwelt – überrascht hat: Auch Menschen, die einen milden Krankheitsverlauf hatten, haben zum Teil längerfristig Beschwerden. Und: Selbst jüngere Menschen, die die Symptomatik in der akuten Phase verlieren, können nach einer gewissen Zeit wieder Probleme bekommen."

Was ist der Unterschied zwischen Long und Post Covid?

Entsprechend der interdisziplinären Leitlinie der DGP ist der Unterschied zwischen Post und Long Covid rein zeitlich: Man spricht von Long Covid, wenn Covid-19-typische Symptome über einen Zeitraum von vier Wochen nach der Infektion auftreten. Haben Patientinnen und Patienten drei Monate nach ihrer Erkrankung immer noch Beschwerden, spricht man von einem Post-Covid-Syndrom.
 

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Wer diagnostiziert "Long Covid" und "Post Covid"?

"Für eine Diagnose sind ganz viele Disziplinen notwendig: Hausärztinnen und -ärzte, Neurologie, Pneumologie, Dermatologie und so weiter – die Hausärztin oder der Hausarzt hat eine Regiefunktion und dient als erste Anlaufstelle. Wenn er oder sie das Gefühl hat, dass es ein spezifisches Problem gibt, soll es an die Fachdisziplinen gehen", rät Prof. Rabe.

Was sind die typischen Symptome bei Long und Post Covid?

"Die Symptome können mitunter dazu führen, dass die betroffenen Personen nicht mehr arbeitsfähig sind. Dies lässt sich auch mit Zahlen belegen: Ende Februar 2021 verzeichneten die Berufsgenossenschaften 42.753 anerkannte Berufserkrankungsfälle im Zusammenhang mit Covid-19. Das ist schon eine beachtliche Zahl", sagt Prof. Rabe. Patientinnen und Patienten berichten vor allem von folgenden Beschwerden:

  • Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit

  • Kopfschmerzen

  • Atembeschwerden, Kurzatmigkeit

  • Geruchs- und Geschmacksstörungen

  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme

  • Depressive Verstimmungen, Angst- und Schlafstörungen

Die Zeit heilt in diesem Fall doch viele Wunden.
Prof. Klaus Rabe

Bisher gibt es nur wenige Studien zur Häufigkeit der verschiedenen Symptome, die längere Zeit nach einer Infektion mit Covid-19 auftreten können. Allerdings zeigen mehrere Verlaufsstudien das Auftreten ähnlicher Symptome. Besonders Patientinnen und Patienten, die länger als sechs Monate unter einer schweren Fatigue mit kognitiven Störungen oder sogar Schmerzen leiden, sollten auf das Vorliegen des Chronischen Fatigue Syndroms untersucht werden.

Wie verbreitet sind Long Covid und Post Covid?

Langsam, aber sicher gibt es mehr Erkenntnisse über die Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung. Jede siebte Person hat nach einer Infektion mit Long oder Post Covid zu kämpfen – schon allein deshalb sollte man das Thema ernst nehmen und den Betroffenen Gehör schenken. Laut einer neueren Studie der Fachzeitschrift "Nature Reviews Microbiology" (Januar 2023) folgt Long Covid weltweit gesehen sogar auf mindestens 10 Prozent der Covid-Infektionen und würde damit 65 Millionen Menschen betreffen. In Deutschland gelten eine Millionen Menschen als Betroffene von Corona-Spätfolgen. 

Patientinnen und Patienten sollten sich nicht davor scheuen, hausärztliche Betreuung in Anspruch zu nehmen und ihre Symptome so detailliert wie möglich zu schildern. Mit einem interdisziplinären Behandlungsansatz scheinen die Chancen gut zu stehen, Long- und Post-Covid-Beschwerden langfristig in den Griff zu bekommen.

DGP-Experte Rabe meint hierzu: "Positiv ist, dass die Symptome mit der Zeit abnehmen. Die Zeit heilt in diesem Fall doch viele Wunden."

Wer ist besonders stark von Langzeitfolgen betroffen?

"Die Datenlage zeigt, dass Frauen etwas häufiger von Spätfolgen betroffen sind als Männer. Auch jüngere Menschen sind davon betroffen. Aber bei dieser Altersgruppe fallen manche Beschwerden vermutlich auch mehr auf als zum Beispiel bei älteren Personen, die sich schon im Ruhestand befinden", schätzt Dr. Rabe die Datenlage ein. Hier eine Übersicht der häufig betroffenen Personengruppen:

  • Menschen mit Vorerkrankungen

  • Menschen mit einem schweren Krankheits-Verlauf

  • Menschen zwischen 30 und 50 Jahren

  • Frauen

  • Sozial benachteiligte Menschen

  • Beschäftigte im Gesundheitswesen

Können auch Kinder von Long Covid betroffen sein?

Long und Post Covid bei Kindern sind ebenfalls bisher wenig erforscht und gelten als schwierig zu diagnostizieren. Bei Kindern unter fünf Jahren etwa sind Symptome von Post Covid wie geistige Leistungsfähigkeit schwer zu fassen. Daneben gelten Müdigkeit, Schlappheit und Schlafstörungen unter Kindern und Jugendlchen auch als allgemeine Auswirkung der Pandemiemaßnahmen, die Kinder sehr beeinträchtigt haben. Die Symptome von Post Covid können also ganz unterschiedliche Gründe haben. Sprechen Sie zunächst mit Ihrer Kinderärztin oder Ihrem Kinderarzt, wenn Sie den Verdacht haben, Ihr Kind könnte betroffen sein. 

 

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Wie bereits angeklungen, ist ein ganzheitlicher, interdisziplinärer Behandlungsansatz empfehlenswert. Der Hausarzt oder die Hausärztin kann dabei als erste Anlaufstelle dienen. Mediziner Rabe rät seinen Kolleginnen und Kollegen: "Man sollte die Vielzahl und Vielfältigkeit der Symptome kennen. Mitunter treten auch ungewöhnliche Beschwerden wie Rhythmusstörungen oder Lähmungen auf, die man ernst nehmen sollte. Es wäre wünschenswert, wenn es regional verteilt Spezialistinnen und Spezialisten gäbe. Neben der hausärztlichen Grundversorgung wäre ein systematisches Netzwerk für die Behandlung von Corona-Spätfolgen sinnvoll."

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betreibt eine umfassende Informationsseite speziell zu Long Covid. Hier finden Sie Aktuelles zu Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten sowie Hilfreiches für Arbeitnehmende und Arbeitgebende.
Folgende Behandlungen werden je nach Bedarf und individueller Situation empfohlen:

  • Regelmäßige ärztliche Kontroll-Untersuchungen

  • Physiotherapie (z. B. Krankengymnastik, Atemtherapie)

  • Sporttherapie  (z. B. Kraft- oder Ausdauertraining)

  • Ergotherapie (z. B. Training von Belastbarkeit oder Hirnleistungstraining)

  • Logopädie (z. B. Sprech- oder Schlucktherapie)

  • Psychotherapie

  • Einnahme von bestimmten Arzneimitteln

Infoseite der BZgA

Können Impfungen bei Long und Post Covid helfen?

Hierzu ist die Forschungslage noch recht dünn. Bei der Zulassung der Impfstoffe waren Long oder Post Covid noch kein Thema. "Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse gibt es dazu nicht. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass eine Impfung auch bei Long Covid sinnvoll ist", sagt Lungenarzt Rabe. 

In der DGP-Leitlinie wird eine Studie erwähnt, die den Effekt einer post-infektiösen SARS-CoV-2-Vakzinierung auf den Verlauf von Long- oder Post-Covid-Erkrankungen untersucht. Den geimpften Personen ging es einen Monat nach der erfolgten Vakzinierung etwas besser als den nicht-geimpften. Allerdings ließen sich daraus noch keine plausiblen Schlussfolgerungen ableiten, heißt es in der Leitlinie. Größere Studien müssten folgen.

Bitte beachten Sie jedoch: Zwischen einer Covid-Erkrankung und einer Booster-Impfung sollten laut Empfehlungen des RKI mindestens 6 Monate verstreichen. 

Impfungen

Impfungen helfen, gefährliche Infektionskrankheiten zu verhindern. Wir übernehmen die Kosten auch für einige zusätzliche Immunisierungen. Mehr Infos zu Impfungen

Werden sich Long Covid und Post Covid als neue Krankheitsbilder etablieren?

Noch ist es wohl zu früh, um diese Frage zuverlässig zu beantworten. Prof. Rabe kommt zu einem differenzierten Urteil: "Ich sehe bei den längerfristigen Beobachtungen, dass die Symptome mit der Zeit zurückgehen. Das ist eine gute Nachricht für die Betroffenen. Aufgrund der Vielfältigkeit der Symptome bin ich mir aber noch unsicher, ob das Phänomen ganz verschwinden wird. Wir sollten die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung auf jeden Fall ernst nehmen."

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