(Quelle: Allensbacher Archiv, "Weichenstellungen", 2014)
„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Wilhelm Busch brachte den Zeitgeist Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Gedicht „Tobias Knopp – Abenteuer eines Junggesellen“ auf den Punkt. Seit damals hat sich die Vaterrolle in Deutschland stark verändert. Patriarchalisch ist nicht mehr, die partnerschaftliche Kindererziehung hat sich in unserer Gesellschaft etabliert.
Vom Ernährer zum Erzieher: Das Vaterbild hat sich bei uns in den letzten 30 Jahren erheblich gewandelt. Ob es ums Einkaufen, Kochen oder Putzen geht – Mann ist inzwischen im Haushalt aktiver denn je. Deutliche Veränderungen gibt es auch in der Erziehung des Nachwuchses. Laut dem Väterreport 2018 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend möchten 58 Prozent der Väter mindestens die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Und 79 Prozent wünschen sich mehr Zeit mit der Familie, so die Studie. Das zeigt sich auch an folgender Entwicklung: Der Anteil der Väter, die Elterngeld bezogen, von 21 Prozent im Jahr 2008 bis auf 36 Prozent in 2015 gestiegen.
Einer dieser Väter, die die Elternzeit in Anspruch genommen haben, ist Tobias Evert, Leiter Sicherheitsberatung aus Schwerin: „Ich habe bei meinem zweiten Sohn zwei Monate Elternzeit genommen und habe diese Zeit der intensiven Bindung sehr genossen.“ Evert zieht eine absolut positive Bilanz und hat einen Tipp: „Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich bei beiden Kindern eine längere Auszeit nehmen.“
Vater übernimmt nach Geburt des ersten Kindes bei der Betreuung ... | |
---|---|
mehr als die Hälfte |
7 Prozent |
die Hälfte |
20 Prozent |
etwas weniger als die Hälfte |
34 Prozent |
einen kleinen Teil |
34 Prozent |
kaum etwas oder nichts |
2 Prozent |
Die Gesellschaft hat die Veränderungen in der Rollenverteilung innerhalb der Familie inzwischen weitgehend akzeptiert. Das Leitbild von Männlichkeit und Vaterschaft wird damit komplexer, ohne dass es sich grundlegend verändert.
Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts von 2015 kommt zu dem Schluss: „Die Väter von heute engagieren sich auf vielfältige Weise mit und für ihre Kinder. Dennoch ließen sich bei der Analyse auch starke Unterschiede zwischen Vätern herausarbeiten, anhand derer sich nun ‚aktive‘, von ‚durchschnittlich‘ und ‚wenig aktiven Vätern‘ unterscheiden lassen.“
Das unterschiedlich hohe Engagement erklärt die Studie unter anderem mit den Einkommensunterschieden zwischen den Partnern und ihren Arbeitszeiten. Insbesondere Überstunden verhindern, dass Väter eine aktive Rolle in der Erziehung einnehmen. Eine „aktive Vaterschaft“ geht demnach mit einem hohen Maß an Engagement für die Kinder und einem positiv-zugewandten Erziehungsstil einher. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss: „Die Beziehung zum Kind profitiert also von einem stärkeren Engagement der Väter.“ Auch für die Partnerschaft ist die aktivere Rolle des Vaters von Vorteil, so ein weiteres Fazit.
Elternzeit als Chance für Unternehmen
Seit 2007 gilt das Prinzip Gleichberechtigung: Beide Elternteile haben Anspruch auf Elternzeit zur Betreuung und Erziehung ihrer Kinder. Nehmen Arbeitnehmer die Elternzeit in Anspruch, erfordert dies in der Arbeitswelt der Gegenwart eine flexible Personalplanung. Der Anteil der Väter, die das staatliche Elterngeld beantragen, steigt stetig an – momentan liegt dieser bei rund einem Viertel.
Leistungsbezüge von Vätern | |
---|---|
2018 |
23,7 Prozent |
2017 |
23,1 Prozent |
2016 |
22,2 Prozent |
2015 |
20,9 Prozent |
(Quelle: Statistisches Bundesamt)
Zahl der Väter nimmt deutlich zu
Im Jahr 2017 haben laut Statistischem Bundesamt 1,35 Millionen Mütter und 410.000 Väter Elterngeld bezogen (das entspricht 23 Prozent, siehe Tabelle oben). Das waren 7 Prozent mehr Personen als im Jahr davor. Die Anzahl der Mütter mit Elterngeld nahm laut Statistischem Bundesamt um 6 Prozent zu, die Zahl der Elterngeld beziehenden Väter stieg sogar um mehr als 11 Prozent.
Vor allem in kleineren Unternehmen kann es Engpässe geben, wenn mehrere Mitarbeiter gleichzeitig in Elternzeit gehen und zeitweise ersetzt werden müssen.
Eine Studie von Roland Berger stellte 2014 fest: „Deutschlands Wirtschaft ist in gut zehn Jahren sichtbar familienfreundlicher geworden. Unternehmen und Beschäftigte sind gut vorangekommen. Einen weiteren Schub braucht die Vereinbarkeit gleichwohl.“ Die Studie zitiert Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) mit den Worten: „Die neue Arbeitskultur muss auch Männern vermitteln: Es ist okay, wenn ihr euch um eure Kinder kümmert, ihr könnt dennoch Karriere machen.“ Besondere Chancen dafür erwachsen laut Roland Berger aus den „Megatrends Digitalisierung und Individualisierung“, die ein zeitlich und räumlich verteiltes Arbeiten erlauben.
Familienfreundliche Unternehmenskultur
Die Studie „Familienfreundliche Unternehmenskultur – Der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hilft Betrieben, die Weichen in Richtung familienfreundlicher Unternehmenskultur zu stellen.
Zur Studie (PDF)Gerade kleinere Betriebe stellen die Regelungen des Elternzeitgesetzes vor große Herausforderungen. Eine familienorientierte Personalpolitik kann aber auch betriebswirtschaftliche Vorteile erzeugen. Der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) Hans Peter Wollseifer erläuterte während der Ehrung der Sieger des Ideenwettbewerbs „Familienfreundlichkeit im Handwerk“ im Jahr 2016: "Qualifizierte Fachkräfte wollen heute Erfüllung im Beruf und ein ausgewogenes Familienleben. Das haben die teilnehmenden Unternehmen verstanden. Sie wissen: Betriebe, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit familienfreundlichen Maßnahmen und individuellen Lösungen unterstützen, können wertvolle Fachkräfte an sich binden und bei der Suche nach neuen Mitarbeitern punkten."