Ein dickbäuchiger Buddha sitzt sanft lächelnd unter einem Baum, die Beine kunstvoll ineinander verschlungen, die Hände im Schoß gefaltet. Wer an Meditation denkt, dem schweben meist solche oder ähnliche Bilder vor Augen. Doch die uralte Geistesübung ist heute in der westlichen Welt viel mehr als eine spirituelle Praxis und kommt in Therapien gegen die unterschiedlichsten Krankheiten zur Anwendung.
Wer regelmäßig meditiert, lebt weniger gestresst, kann vielen Krankheiten wie Diabetes oder Krebs vorbeugen und die Hirnalterung verlangsamen. Wie das funktioniert und was Meditations-Neulinge noch wissen sollten, erklärt ein Experte. Plus: die besten kostenlosen Meditations-Apps.
Was ist Meditation?
Wir sind fast rund um die Uhr online, tun mehrere Dinge gleichzeitig und stehen in unserer Leistungsgesellschaft unter starkem Effizienzdruck. Meditation bedeutet, auf den Pausenknopf zu drücken und uns bewusst zu machen, was gerade im Moment ist. Wie fühlt sich mein Körper an, habe ich irgendwo Schmerzen oder Verspannungen? Bin ich bedrückt oder zuversichtlich? Welche Gedanken beschäftigen mich?
„Meditation heißt für mich, mir meine Gedanken und Gefühle anzusehen, als würde ich ins Kino gehen. Ich setze mich mit Popcorn ins Publikum und lasse alle meine Empfindungen und Eindrücke an mir vorbeiziehen wie auf einer inneren Bühne“, so Diplompsychologe Dr. Ulrich Ott. Wie sich unser Gehirn in diesem Pausenmodus aktiv erholt, hat er umfangreich erforscht.
Wie uns Meditieren gesund und jung hält
„Viele Menschen – gerade in herausfordernden Tätigkeiten – vernachlässigen ihren Körper, bis er ihnen die rote Karte zeigt und mit Schmerzen oder Krankheiten reagiert“, erklärt Dr. Ott. Meditation hilft uns, die Signale unseres Körpers rechtzeitig wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Weil Meditation unser Nervensystem vom Aktivitäts- in den Ruhe-Modus reguliert, wirkt sie präventiv gegen eine Vielzahl von Krankheiten, die durch Stress und ein geschwächtes Immunsystem angefeuert werden. Dazu gehören etwa Diabetes, Krebs, Bluthochdruck und chronische Schmerzen, aber auch psychische Erkrankungen wie Depression, Ängste oder Burn-out. Das belegen zahlreiche Studien.
Otts Forschung zeigt sogar, dass die Gehirne von Menschen, die regelmäßig meditieren, dank geringerem Stress in einem Jahr nur 10 Monate und 8 Tage altern. Sie legt nahe, dass Meditation dadurch auch der Entwicklung von Demenz vorbeugen kann.
Mit Meditation heilen
Zunehmend wird Meditation therapeutisch eingesetzt, denn die mentale Übung verringert etwa bei Betroffenen von Depressionen nachweislich die benötigte Menge an Medikamenten. Therapieverfahren wie MBCT wirken durch Meditation positiv auf die Rückfallwahrscheinlichkeit in eine depressive Phase. Ähnliche Programme helfen, Stress gezielt abzubauen.
Regemäßig zu meditieren, hilft uns auch, unsere körperliche Gesundheit wiederherzustellen: „Durch Meditation kann man lernen, das vegetative Nervensystem, auf das wir bewusst eigentlich keinen Einfluss haben, gezielt in Richtung Entspannung zu verändern. So können wir zum Beispiel auf unseren Bluthochdruck einwirken, aber auch mit Schmerzen besser umgehen“, bestätigt Ott.
Die beliebtesten Meditationstechniken
Sie wollen mit dem Meditieren beginnen? Dann probieren Sie doch einmal diese Meditationstechniken aus:
Bodyscan (auch: Vipassana) Meditation
Durchwandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit den ganzen Körper und durchleuchten Sie nacheinander alle Körperregionen wie mit einer Taschenlampe. Beginnen Sie bei Ihren Füßen und gehen Sie Atemzug für Atemzug im Körper weiter nach oben. Was spüren Sie? Fühlen Sie Anspannung und Gewicht und werten Sie nicht darüber.
Atemfluss Meditation
Der Atemfluss spielt bei fast allen Meditationsübungen eine wichtige Rolle und eignet sich wie der Bodyscan sehr gut für den Einstieg in die Meditation. Die Aufmerksamkeit wird dabei auf die Aus- und Einatmung, Bewegungen der Bauchdecke oder Empfindungen um die Nase gelenkt. Sie können Ihre Atemzüge auch zählen und von vorne beginnen, wenn Sie bei 20 angekommen sind oder sich verzählen.
Achtsames Beobachten
Setzen Sie sich einfach hin und noch bevor Sie mit der Anwendung einer Technik beginnen, lassen Sie den „Macher-Modus“ los. Betrachten Sie offen, was gerade jetzt in Ihnen vorgeht. Wo nehmen Sie sich wahr? Was fühlen Sie? Welche Gedanken ziehen auf? Sie brauchen nichts zu verändern, nehmen Sie einfach an, was kommt.
Liebevolle Güte (auch: Metta) Meditation
Bei dieser buddhistischen Meditationsform üben Sie beispielsweise durch das stille Wiederholen von positiven Sätzen mitfühlend, wohlwollend und friedlich auf alle Lebewesen und sich selbst zu blicken. Beginnen Sie mit einem Satz wie „Ich möchte glücklich und frei von Sorgen sein“. Erweitern Sie Ihre positiven Gedanken schließlich auf nahestehende Personen und fremde Menschen.
Visuelles Meditieren
Sie können auch visuelle Hilfsmittel verwenden, um zu meditieren. Stellen Sie sich beispielsweise eine Kerze auf und betrachten Sie die Flamme. Schließen Sie in regelmäßigen Abständen die Augen, um das Bild der Flamme nur noch in Ihrer Vorstellung zu sehen. Ähnlich können Sie mit Bildern, Mandalas oder auch einem vorgestellten Bild umgehen.
Meditation in Bewegung
Meditation findet nicht nur im Sitzen statt. Auch Bewegung kann meditativ sein, wenn sie achtsam, selbstreflektierend und frei von Leistungserwartungen ausgeführt wird. Eine Form dafür kann einfaches Gehen, Waldbaden, aber auch Tai Chi, Yoga oder Qigong sein.
Langsam und geduldig mit dem Meditieren beginnen
Wer in seinem Alltag kaum eine ruhige Minute spürt, auf den stürzen in Momenten der Stille häufig erst recht die Gedanken ein. Manche Neulinge spüren erst während der Meditation, dass sie zur Toilette müssen oder Hunger haben. Geben Sie solchen Bedürfnissen, die im Alltag wahrscheinlich zu wenig Raum hatten, ruhig nach.
Für alle anderen Gedanken gilt: beobachten, akzeptieren und abwarten, bis sich die Wogen beruhigen. Die Gedankenflut ist ganz normal und sie gleichmütig vorbeiziehen zu lassen, wesentlicher Bestandteil der Übung. Sich über seine vermeintliche Unfähigkeit zur Stille zu ärgern, ist dagegen nicht hilfreich: „Stellen Sie sich vor, jemand wollte die Wellen auf dem Wasser vertreiben, indem er sie mit einem Stock schlägt … Sie können sich ausmalen, wozu das führt“, betont der Experte.
Risiken beim Meditieren
Doch wie überall gilt: Die Dosis macht das Gift. Auch Meditation muss mit Augenmaß angewandt werden. „Wenn Ihnen 20 Minuten Meditation guttun, heißt das nicht, dass es nach 8 Stunden noch besser wird“, warnt Dr. Ott. Gerade Menschen, die Trauma-Erfahrung hätten, sollten Meditation besser in einem therapeutischen Rahmen kennenlernen als in einem intensiven Meditationscamp in den Weiten der Schweizer Bergwelt, weiß der Psychologe aus Erfahrung.
Obwohl die Meditation als gutes Mittel zur Selbstheilung gilt: Ein Lehrer hilft, Meditations-Erfahrungen einzuordnen und erleichtert vor allem eines – dranzubleiben.